Heringsleuchten auf der Hafeninsel
"Papa, schau mal… Die Lampen gehen aus, wenn ich auf sie zurenne", stellt Luca aufgeregt fest und schaut mit fragenden Augen auf die Lichter im Boden vor dem Stralsunder OZEANEUM.
Der Papa staunt ebenso.
Die Lampen reagieren scheinbar auf die Menschen, die vorbeilaufen, sogar auf Möwen, wenn sie im Tiefflug über den Platz segeln.
Was ist das?
Vom Industrieareal zur Flaniermeile mit Kunst
Um zu verstehen, was hier passiert, lohnt ein Blick in die Historie der Hafeninsel.
Ursprünglich gar nicht da, wurde sie zur Erweiterung der Hafenanlagen ab 1862 als vorgelagerte Insel aufgeschüttet. So konnte zum Beispiel der angelandete Hering viel besser als bisher umgeschlagen werden, da jetzt deutlich mehr Platz zur Verfügung stand. Das Silber des Nordens, welches Stralsund reich gemacht hatte. Bis zum Jahr 1989 herrschte auf der damals abgesperrten Hafeninsel Hochbetrieb, Güter aller Art wurden hier umgeschlagen. Seitdem verlagerte sich der Hafenumschlag Stück für Stück in Richtung Süden. So entstand eine riesige freie Fläche auf der Nördlichen Hafeninsel.
Die Hansestadt überlegte zusammen mit ihrer Stadterneuerungsgesellschaft, was aus dem Hafen werden könnte. Seitdem wird die Nördliche Hafeninsel Schritt für Schritt saniert und so zu einem attraktiven Ort für Einheimische und Gäste unserer Stadt.
Zur Umgestaltung gehörte auch Kunst am Bau. Die Hansestadt startete einen Wettbewerb, welche Kunst am besten auf die Nördliche Hafeninsel passen würde. Gewonnen hat ihn der Neustrelitzer Licht-Künstler Christoph Drews.
Heringsleuchten
Sein realisierter Entwurf mit dem Titel „Heringe“ bezieht sich auf den historischen und kulturgeschichtlichen Kontext des Herings und das außergewöhnliche Phänomen des Heringsleuchtens. Hier ließ sich Künstler Drews insbesondere vom Autor Holger Teschke inspirieren, der in seinem Buch "Heringe" unter anderem geschrieben hat: "Das Heringsleuchten muss von unvergleichlicher Schönheit gewesen sein. Es wiederholte sich jedes Jahr, wenn die Heringe zum Laichen in die küstennahen Gewässer der Nord- und Ostsee einzogen. Dicht unter der Wasseroberfläche schwimmend, reflektierten die riesigen Schwärme das Mondlicht so stark, dass die See meilenweit glänzte und funkelte, als würde das Meer neue Sterne gebären."
Interaktion durch Bewegung
Die Bodenarbeit besteht aus 221 Glas-Einbauelementen, die ebenerdig in das Pflaster eingelassen wurden und leuchten. Die Interaktion ist dem natürlichen Verhalten der Heringe nachempfunden. Schwarmintelligenz ist die Grundlage der eigens dafür programmierten Software. So löst die Bewegung in unmittelbarer Nähe ein Fluchtverhalten der Heringe aus, ganz so, wie im Wasser, wenn sich ein Fischräuber nähert. Bleibt der Betrachter stehen, sammelt sich der Schwarm neu und schwimmt manchmal sogar ganz neugierig um diesen herum.
Der Schwarm flieht…
So erklärt sich, warum die Lichter ausgehen, wenn sich Kinder, Erwachsene und Möwen in die Nähe der leuchtenden Steine bewegen. Der Schwarm flieht vor Bewegungen. Die Licht-Kunst bringt das verschwundene Heringsleuchten auf moderne interaktive Weise zurück.
Mit leuchtenden Augen steht Luca jetzt – jetzt wohl wissend, was zu sehen ist - mitten in den 221 Leuchten und tanzt mit den Heringen.
Und Papa? Der verschickt Bilder und Filme von dieser tollen Licht-Herings-Kunst auf der Nördlichen Hafeninsel in die ganze Welt.