Eine Duftkugel als Universalheilmittel
Das besondere Exponat
Das STRALSUND MUSEUM präsentiert Besucherinnen und Besuchern im Eingangsbereich des Katharinenklosters bisher unterschiedliche Stücke aus den umfangreichen Sammlungsbeständen des ältesten Museums in Norddeutschland. Die sollen die Gäste auf die Vielfalt und Qualität der Bestände einstimmen und Lust am Entdecken in den Dauer- und Sonderausstellungen wecken.
Daraus hat sich jetzt die Idee entwickelt, in regelmäßigen Abständen ein besonderes Exponat aus den Museumsbeständen vorzustellen.
Als erstes Objekt können Gäste des Hauses ab sofort einen Bisamapfel aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Foyer des STRALSUND MUSEUM im Katharinenkloster bestaunen.
Das ist eine ursprünglich aus dem Orient stammende Duftkugel (auch: Bisamkugel, Bisambüchse, Riechapfel, pomum ambre). Die Kugel besteht dabei aus einem kunstvoll gearbeiteten Schmuckgehäuse in Apfel- oder Kugelform zur Aufnahme von Bisam (Moschus) oder anderen ähnlich stark duftenden Stoffen wie Harzen und Dufthölzern, Gewürzen oder Kräutern.
Diese Duftkugel kaschierte oftmals nicht nur den eigenen unangenehmen Körpergeruch, sondern galt als Universalheilmittel bei Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungs- und Potenzproblemen sowie als Mittel zur Herzstärkung, zum Schutz vor Infektionen und zur Dämonenabwehr. Je nach Indikation konnte man den kleinen Behälter dabei an Nase, Hals oder vor das Gesicht halten, in den Händen tragen oder an den Puls anlegen.
Da er bei wohlhabenden Menschen hochwertig gearbeitet war und meistens aus Edelmetall bestand, diente er gleichzeitig als Schmuck. Nicht nur reiche Leute trugen einen Duftapfel bei sich, sondern auch Arme. Dieser enthielt statt des kostbaren Moschus billige Kräuter, die sich oft in durchlöcherten Holzdöschen befanden.
Für Stralsund ist die Nutzung von Riechäpfeln erstmals in einer Urkunde von 1318 belegt. Neben einem „Handapfel“ befanden sich in der dort beschriebenen Schatzkiste eines Herrn Starkow, der aus einer gleichnamigen rügenschen Adelsfamilie stammte, weitere repräsentative Luxusgüter wie ein Kristallkreuz, ein Moschusgefäß und ein silberner Gürtel.
Große Verbreitung fanden Riechäpfel während der Pestepidemien. Der damaligen Auffassung zufolge war die Pest „die drohende Zornesrute Gottes“, der man mit fleißigem Gebet und dem Bereuen aller Sünden entgegenwirken solle. Auch unreine Luft fördere die Ansteckungsgefahr mit Krankheiten, so der Glaube. Man müsse mit Ausräucherungen und Verwendung von Riechäpfeln dieses verhindern. Deshalb verordnete man den Reichen Moschus sowie Ambra und den Armen La(b)danum. Das ist ein Harz, das aus verschiedenen Arten von aus dem Mittelmeerraum stammenden Zistrosen gewonnen wurde.
Um der Vielfalt der Duftrezepturen gerecht zu werden, verfügt der Bisamapfel über vier Unterteilungen mit den Bezeichnungen Canelbalsam (Zimt), Maioranbalsam, Bernsteinoil und Midrithat. Letzteren Heilwurzelextrakt verwendete auch der Stralsunder Bürgermeister Nikolaus Gentzkow prophylaktisch nachweislich während der Pest 1565. In seinem Tagebuch vermerkte er, dass er „kleine potken“ mit „Tyriac und Mithridat“ aus Greifswald erhalten habe.
Obwohl sich Riechäpfel bis in das 17. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten, sind heute nur noch wenige Exemplare in Museen oder Privatsammlungen erhalten. Eins davon ist jetzt im Eingangsbereich des STRALSUND MUSEUM zu sehen.
Autorin: Dr. Regina Nehmzow